Presseerklärung des Hamburger Netzwerks Recht auf Stadt

Zu den Protesten im Rahmen des G20-Gipfels und der Androhung, die Rote Flora aufzulösen

Hamburg, 11.7.2017 – Wir, die Initiativen aus dem Netzwerk Recht auf Stadt, haben uns in der letzten Woche an zahlreichen Aktionen gegen den G20-Gipfel beteiligt und unseren vielfältigen, kreativen Protest gegen die Politik der Reichen und Mächtigen auf Hamburgs Straßen getragen. Wir haben die Türen unserer sozialen Zentren, Wohnungen, Bauwagenplätze, Kleingärten weit geöffnet, um den Tausenden von Menschen, die nach Hamburg gekommen sind, ihren legitimen und demokratischen Widerspruch zur Politik der G20 zu ermöglichen. Über die ganze Stadt verstreut gab es Oasen, Ruheorte, Infopunkte wie das Centro Sociale, das Gängeviertel, die fux-Kaserne und viele mehr, die in den Tagen des Gipfels zu Orten der Solidarität und des lebendigen Austausches wurden. Mit dem Arrivati-Park wurde am Pferdemarkt ein neuer Ort der Solidarität jenseits der Grenzen nationaler Zugehörigkeit geschaffen.

Diese Orte sind wichtige Ankerpunkte für eine solidarischen Stadt von morgen, wie wir sie uns vorstellen.

Mit unseren Aktionen, Versammlungen, Performances und Demonstrationen haben wir unseren Dissens artikuliert, aber zugleich auch gezeigt, wofür wir stehen: für eine andere Gesellschaft, in der alle Menschen den gleichen Zugang zu städtischen Ressourcen haben. Mit unserer eigenen Praxis haben wir verdeutlicht, dass wir für etwas anderes stehen, als es in Geschehnissen von sinn- und zielloser Gewalt Freitagnacht am Schulterblatt t zum Ausdruck kam. Wir sind entsetzt über die enorme Brutalität, die sich über Stunden ungehindert Bahn brechen konnte.

Aber auch über die Eskalationsstrategie der Polizei – insbesondere auf der Welcome-to-Hell-Demo - und die zahlreichen Übergriffe gegen Demonstrant*innen während der gesamten Gipfelwoche muss geredet und in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss umfassende Transparenz hergestellt werden.

Die Rote Flora ist Teil unseres Netzwerkes. Angesichts der aktuellen Hetzkampagne, der dieses Projekt wie auch andere alternative Strukturen der Zivilgesellschaft zurzeit ausgesetzt sind, solidarisieren wir uns mit der Roten Flora, die ein nicht wegzudenkender Bestandteil von Recht auf Stadt und des Schanzenviertels ist.

Wir nehmen in Medien und Öffentlichkeit eine aufgeheizte Stimmung wahr, die undifferenziert alle linken und alternativen Zentren, die diese Gipfelproteste in der Vielfalt und Breite erst ermöglicht haben, an den Pranger stellt, denunziert und mit Kriminalisierung bedroht.

Dem stellen wir uns als Netzwerk Recht auf Stadt mit aller Entschiedenheit entgegen. Wir werden uns nicht spalten lassen und jede einzelne unserer Strukturen verteidigen. Für eine andere Stadtentwicklung, für eine Stadt für alle!

Netzwerk Recht auf Stadt, den 11. Juli 2017


Presseerklärung des Hamburger Netzwerks Recht auf Stadt

Recht auf Stadt gibt Hamburg Urban Citizenship aus – Polizeiliche Belagerung des Arrivati Parks inakzeptabel

Hamburg, 5.7.2017 – Das Netzwerk Recht auf Stadt und das Bündnis Never Mind The Papers geben seit gestern im neuen Arrivati Park auf St. Pauli eine Stadtbewohner*innen-Karte heraus. Die nach dem Vorbild der New Yorker ID NYC gestaltete "Hamburg Urban Citizenship Card" zeigt, wie künftig auch Menschen ohne passende Papiere oder festen Wohnsitz am städtischen Leben teilhaben könnten. Die Karte wurde hervorragend angenommen: Im Arrivati Park bildeten sich gestern zwischenzeitlich Schlangen bei der Kartenausgabe, das gleiche Bild nachmittags in der 'Wunschfiliale' auf dem Hansaplatz.. In einem Geländespiel wurde die Bedeutung eienr Urban Citizenship für Wohnen und Gesundheit verdeutlicht.

Der Arrivati Park hat sich gestern als öffentlicher Ort etabliert, an dem sich viele in den Open Air Galerien in der Superbude von Never Mind The Papers über Flucht, Migration und solidarische Städte informieren. Das Konzert am Abend sahen rund 1000 Menschen, als Park und Hardcornern eins wurden. Sie ließen sich auch nicht von der Hamburger Polizei provozieren, die ab etwa 21:30 Uhr begann, mit Hundertschaften und Wasserwerfern von der Budapester Straße aus ohne ersichtlichen Grund den Park zu belagern. Die Belagerung quittierten die Park-Besucher mit einer klaren Aussage, indem sie wiederholt riefen: "Das ist unsere Stadt!"

Auch wenn diese Machtdemonstration nicht funktionierte, ist sie inakzeptabel. Bereits drei Tage vor dem Gipfel versucht die Hamburger Polizei, eine Situation zu eskalieren, die sie selbst geschaffen hat, indem sie das G20-Protest-Camp in Entenwerder verhinderte. Hamburg zeigt sich in diesen Tagen nicht als "Tor zur Welt", sondern als eine militarisierte Stadt im Ausnahmezustand, der bereits an Istanbuler Verhältnisse zu erinnern beginnt. Das Netzwerk Recht auf Stadt wird mit vielen anderen Gruppen jedoch weiter auf den Straßen und Plätzen der Stadt sein. Der Arrivati Park geht weiter, heute ab 14 Uhr.


Recht auf Stadt Hamburg eröffnet Arrivati Park
auf St. Pauli

Right to the City Hamburg opens Arrivati Park
in St. Pauli

Wie soll das urbane Zusammenleben der Zukunft organisiert sein? Wie können wir erreichen, dass alle Menschen, die in unserer Stadt leben, die selben Möglichkeiten und Rechte haben?

Das Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg wird diese und andere Fragen zu Flucht, Migration und Urban Citizenship in den kommenden Tagen im Arrivati Park auf St. Pauli in den öffentlichen Raum stellen.

Es benutzt bewusst das italienische Wort Arrivati (italienisch für "Angekommene"):

Erstens, um die Menschen nicht anhand ihrer Herkunft oder ihres Aufenthaltsstatus zu kennzeichnen, und

zweitens um einen Anspruch auszudrücken – jeder Mensch, der sich entscheidet in dieser Stadt zu leben, soll die Chance haben, wirklich anzukommen und die selben Rechte wie alle anderen, die schon da sind, zu bekommen.

Recht auf Stadt kennt keine Grenzen!

[English below]

How should urban life be organised in the future? How can we get to a point where all people who live in our city have the same rights and possibilities?

The network Right to the City Hamburg will bring up these and other questions around flight, migration, and urban citizenship in the Arrivati Park in Hamburg St. Pauli in the next days.

It uses the word "arrivati" (italian for "those who have arrived") consciously:

first because people should not be categorised along origin or legal status, and

second because it expresses an aspiration – everyone who has decided to live in this city should get the chance to really arrive here and have the same rights as all the others who are already there.

The right to the city has no borders!

Facebook: arrivatipark


G20 – Die Harley Days der globalen Elite in Hamburg

Erklärung des Hamburger Netzwerks Recht auf Stadt

Am 7. und 8. Juli ist es so weit. Die Chef*innen - der wirtschaftlich stärksten Staaten versammeln sich zum alljährlichen Gipfeltreffen. Als Versammlungsort dienen der G20 ausgerechnet die Messehallen im Zentrum Hamburgs. Dort, wo im Sommer 2015 mehr als Tausend Geflüchtete Schutz fanden, sollen nun diejenigen tagen, die mit ihrer Politik maßgebliche Verantwortung für die Krisen und Kriege tragen, vor denen Menschen damals flohen und immer noch fliehen.

2015 wurden die Messehallen ein Ort des Ankommens – durch die überwältigende Unterstützung aus der Nachbarschaft. Es waren im langen Sommer der Migration Umrisse einer Willkommenskultur sichtbar, in der Möglichkeiten einer anderen, offenen und solidarischen Stadtgesellschaft gelebt wurden.

Hamburg ist längst globaler als die G20. Hier leben Menschen aus 180 Ländern. Zugleich beobachten wir in Hamburg, aber auch weltweit eine Zunahme reaktionärer und rechtsradikaler Kräfte. In diese Phase fällt der Hamburg-Besuch von Trump, Putin, Erdogan und Co.

Die Entscheidung über das Gipfeltreffen wurde über unsere Köpfe hinweg gefällt. Als Netzwerk Recht auf Stadt sagen wir: Die Regierungschef*innen der G20 sind in Hamburg NICHT willkommen. Wie die Harley-Fahrer*innen auf ihren röhrenden Maschinen fallen die G20 und ein überdimensionierter Polizei- und Sicherheitsapparat in die Stadt ein. Niemand hat sie sich herbeigewünscht.

Und so wie der Motorenlärm der jährlichen Harley Days den Anwohner*innen auf St. Pauli die letzten Nerven raubt, genauso störend und raumnehmend wird der G20-Gipfel die ganze Stadt in Beschlag nehmen.

Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind dabei fest eingeplant. Die Gefahren-gebiete weiten sich zum stadtweiten Ausnahmezustand aus – der jetzt schon politisch und medial vorbereitet wird. Viele werden während der Gipfeltage entnervt die Stadt verlassen. Zugleich werden Hamburger*innen, aber auch Menschen aus aller Welt es sich nicht nehmen lassen, ihre Kritik am kapitalistischen Normalzustand auf die Straße zu tragen. Mit Repression ist zu rechnen. Schon jetzt, Wochen vor dem Gipfel, nehmen Polizeikontrollen rund um die Messehallen zu. Das Treffen der globalen Eliten bedeutet in Hamburg beträchtliche Grundrechtseinschränkungen – und das nicht „nur“ während der Gipfeltage.

Während der Lärm der Harley Days sich schnell wieder verzieht, besteht die kapitalistische Ordnung allerdings fort. Unsere Kritik an den G20 ist somit unabhängig von Gestalten wie Trump, Erdogan oder Putin. Wir haben eine völlig andere Vorstellung von Stadt: Eine Stadt der Kommunikation auf Augenhöhe. Eine Stadt ohne Grenzen. Mit Recht auf Teilhabe, auf Wohnung – für alle, unabhängig von ihren Papieren.

Wir blicken nach Porto Alegre, Toronto, New York, Barcelona oder Lampedusa. Orte, in denen neue Formen der Solidarität und der demokratischen Teilhabe ausprobiert werden. Von Beteiligungshaushalten über Sanctuary City („Zufluchtsstädte“) bis hin zu Urban Citizenship, die allen Bewohner*innen die gleichen Rechte zuspricht. Städte, die neue Formen lokaler Selbstverwaltung ausprobieren und umsetzen und die zugleich weit über das hinausweisen, was hier vor Ort unter Bürgerbeteiligung verstanden wird.

Wir sind schon da. Wir nehmen uns das Recht auf Straße. Die neoliberale Stadtpolitik bietet für die allermeisten Menschen keine Perspektive. Der Ausverkauf der Städte wird trotzdem fortgesetzt. Das muss ein Ende haben. Die Besetzung des Gängeviertels, die Gründung des Hamburger Netzwerks Recht auf Stadt oder die Kampagne für einen Rückkauf der Energienetze waren Momente erfolgreichen Widerstands und haben Perspektiven einer anderen Stadt aufgezeigt.

Zehntausende gingen auf die Straße, als das Bündnis „Never mind the papers“ Solidarität mit den Geflüchteten in Hamburg einforderte. Und ein deutliches Ausrufezeichen setzten die Hamburger*innen Ende 2015 mit ihrer Ablehnung der Olympia-Bewerbung.

Ebenso unübersehbar und zugleich noch viel lauter werden wir rund um die Gipfeltage unser „Nein“ gegen den G20-Gipfel auf die Straße tragen. Unsere Formen sind dabei vielfältig und nicht berechenbar. Wir sind überall auf den Straßen der Stadt: egal ob Party-Rave, Blockade, Demonstration, Platzbesetzungen oder öffentliches Picknick.

Wir nehmen die Kriege und Krisen, den zunehmenden Rassismus und die immer sich weiter öffnende Schere zwischen Reich und Arm, das ganze Elend dieser Welt nicht hin.

Wir rufen auf zur Beteiligung an den verschiedenen Aktivitäten gegen den G20-Gipfel in der Zeit vom 30. Juni bis zum 9. Juli und werden als Recht-auf-Stadt-Bewegung auch die Schattenseiten der reichen Metropole Hamburg thematisieren: Ausgrenzung und Verdrängung, Privatisierung und Mangel an günstigem Wohnraum, Gentrifizierung und Segregation. Wir stehen gegen die Her- und Zurichtung der Stadt für Neoliberalismus und Kapitalinteressen. Wir stehen für eine soziale und gerechte Stadt.

Lasst uns das zeigen, vor Ort und in allen Quartieren!

Wir freuen uns auf die vielen Menschen, die nach Hamburg kommen werden, um sich auszutauschen, zu debattieren, zu protestieren, zu blockieren und ihren Widerstand gegen G20 auf die Straße zu bringen. Mit ihnen zusammen wollen wir das Recht auf Stadt praktisch umsetzen.

Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg, im April 2017

Nachtrag vom 28. Juni 2017:

Der Hamburger Innensenator spricht zwar von einem „Festival der Demokratie“, die Hamburger Polizei tut jedoch alles, um zu verhindern, dass auch auswärtige Teilnehmer*innen an diesem mehrtägigen Festival teilnehmen können. Campverbote und insbesondere das flächendeckende Verbot (38 km²!) sämtlicher Versammlungen und Demonstrationen zwischen Fuhlsbüttel und der Innenstadt an den Gipfeltagen (beschönigend "Transferkorridor" genannt) unterstreichen, dass Polizei und Senat gewillt sind, den G20-Gipfel mit einem unglaublichen Angriff auf die Grundrechte durchzusetzen. Dagegen protestieren wir mit aller Schärfe.

Wir lassen uns die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht nehmen!

Auf zur internationalen Großdemonstration am 8. Juli (11 Uhr, Deichtorplatz)!

Ihr findet uns mit eigenem Lautsprecherwagen am Ende des antikapitalistischen Blocks. Motto: >>Recht auf Stadt kennt keine Grenzen!<<

Join us!

2017 beta | Kontakt Sprecher*innen-Rat: info(at)rechtaufstadt.net | Bild: Rasande Tyskar CC BY-NC-SA 2.0